Urologische Notfälle bei Kindern stellen Eltern und medizinisches Fachpersonal gleichermaßen vor besondere Herausforderungen. Die betroffenen Kinder sind oft in großer Not, und die Symptome können für Eltern besorgniserregend und für das Kind extrem schmerzhaft sein. Erfahren Sie hier, welche Erkrankungen in jungen Jahren in manchen Fällen zu urologischen Notfällen werden können.
Kolik: Ein plötzlich auftretender Schmerz
Eine Kolik ist ein plötzlicher, krampfartiger Schmerz, der oft durch eine Blockade in den Harnwegen verursacht wird. Bei Kindern sind Harnleitersteine, die den Urinfluss behindern, eine der häufigsten Ursachen für eine Kolik. Die Symptome sind in der Regel starke, wellenförmige Schmerzen, die oft von Übelkeit und Erbrechen begleitet werden. Der Schmerz ist meist im Unterbauch oder in der Flanke lokalisiert und kann in den Rücken oder die Leiste ausstrahlen. Eltern bemerken oft, dass das betroffene Kind unruhig ist und ständig seine Position ändert, in der Hoffnung, eine Erleichterung der Schmerzen zu finden.
Behandlung abhängig von Steingröße
Die Diagnose wird in der Regel durch eine körperliche Untersuchung, Ultraschall oder, in komplexeren Fällen, durch eine Computertomographie gestellt. Die Behandlung einer Kolik hängt von der Ursache ab. Kleinere Steine, die im Harnleiter festsitzen, können oft mit Schmerzmitteln und reichlicher Flüssigkeitszufuhr spontan ausgeschieden werden. Bei stärkeren Schmerzen oder größeren Steinen kann jedoch ein Eingriff notwendig sein, um den Stein zu entfernen. In einigen Fällen wird auch eine medikamentöse Therapie verordnet, um den Harnleiter zu entspannen und die Passage des Steins zu erleichtern. Eine ärztliche Notfallversorgung ist unerlässlich, um schwerwiegende Komplikationen wie eine Nierenbeckenentzündung zu verhindern.
Akuter Harnverhalt: Wenn das Wasserlassen nicht mehr möglich ist
Der akute Harnverhalt ist ein weiteres ernstzunehmendes urologisches Problem bei Kindern. Diese Erkrankung beschreibt die Unfähigkeit, die Blase zu entleeren, obwohl sie voll ist. Häufig sind es neurologische Störungen, Harnröhrenverengungen oder Verletzungen, die diesen Zustand auslösen können. In selteneren Fällen kann auch eine Entzündung der Blase oder der Prostata (bei älteren Jungen) die Ursache sein. Typische Symptome sind ein starkes, schmerzhaftes Druckgefühl im Unterbauch, das Kind kann nicht urinieren, obwohl es dringend müsste. In manchen Fällen kann das Kind zudem unruhig sein und klagt über Schmerzen im unteren Bauchbereich.
Rasches Handeln notwendig
Ohne Behandlung kann es zu Komplikationen wie einer Schädigung der Blase oder der Nieren kommen. Die Akutbehandlung besteht in der Regel in der Entlastung der Blase durch einen Blasenkatheter. Dieser Eingriff kann die Schmerzen sofort lindern. Langfristig wird dann die zugrunde liegende Ursache behandelt, sei es eine Harnröhrenverengung, eine Infektion oder ein neurologisches Problem. Wichtig sind hier die schnelle Erkennung und die sofortige medizinische Versorgung, um bleibende Schäden an den Harnorganen zu vermeiden.
Priapismus: Ein Dauerzustand der Erektion
Priapismus, eine schmerzhafte Dauererektion ohne sexuelle Erregung, tritt selten bei Kindern auf, kann jedoch in bestimmten Fällen vorkommen, insbesondere bei Erkrankungen wie der Sichelzellanämie. Diese Erkrankung führt dazu, dass das Blut im Penis nicht mehr richtig abfließen kann, was zu einer andauernden, schmerzhaften Erektion führt. Die Symptome umfassen eine anhaltende Erektion, die länger als vier Stunden dauert und nicht auf sexuelle Stimulation zurückzuführen ist. Diese Erektion ist meist schmerzhaft und führt dazu, dass das Kind unruhig und ängstlich ist.
Wie Priapismus behandelt wird
Priapismus ist ein Notfall, da er zu bleibenden Schäden am Schwellkörper führen kann, wenn er nicht rechtzeitig behandelt wird. Die Behandlung hängt von der Ursache ab, aber in akuten Fällen wird versucht, das Blut manuell aus dem Penis abzulassen. Dazu wird entweder eine Blutabnahme direkt aus den Schwellkörpern durchgeführt oder Medikamente verabreicht, die die Blutgefäße verengen und den Blutfluss normalisieren. In seltenen Fällen kann auch eine Operation notwendig sein. Je nach Grunderkrankung, wie etwa bei Sichelzellanämie, ist auch eine langfristige Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung erforderlich.
Paraphimose: Eine Einklemmung der Vorhaut
Die Paraphimose ist ein weiterer urologischer Notfall, der häufig bei Jungen auftritt. Hierbei handelt es sich um eine Einklemmung der Vorhaut hinter der Eichel, was dazu führt, dass diese nicht mehr über die Eichel zurückgezogen werden kann. Diese Verengung führt zu einer Schwellung und Schmerzen, da die Blutzufuhr zur Eichel behindert wird. Wenn die Paraphimose nicht schnell behandelt wird, kann es zu einer Schädigung des Gewebes kommen. Eltern bemerken oft, dass die Vorhaut des Kindes hinter der Eichel klemmt, die Eichel geschwollen ist und das Kind über Schmerzen klagt. Häufig tritt diese Situation nach einer unsachgemäßen Manipulation der Vorhaut auf, beispielsweise wenn versucht wird, sie gewaltsam zurückzuziehen.
Chirurgische Behandlungen nur in seltenen Fällen
Die Behandlung einer Paraphimose erfolgt in der Regel durch manuelles Zurückschieben der Vorhaut über die Eichel, was meist unter lokaler Betäubung geschieht, um dem Kind Schmerzen zu ersparen. In schweren Fällen kann ein kleiner Schnitt notwendig sein, um die Vorhaut zu entlasten. Eine längerfristige Lösung besteht in der Zirkumzision (Beschneidung), die eine erneute Paraphimose verhindern kann.
Hodentorsion: schwerwiegender Notfall
Die Hodentorsion ist einer der schwerwiegendsten urologischen Notfälle bei Jungen, da sie zu einem Verlust des Hodens führen kann, wenn sie nicht innerhalb weniger Stunden behandelt wird. Bei der Hodentorsion dreht sich der Hoden um seine Längsachse und die Blutzufuhr wird abgeschnitten. Dies führt zu einer raschen Unterversorgung des Gewebes mit Sauerstoff und Nährstoffen, was innerhalb kurzer Zeit zu Gewebeschäden und letztlich zum Absterben des Hodens führen kann. Die Symptome treten in der Regel plötzlich auf und beinhalten sehr starke Schmerzen im Bereich des Hodens, die in den Unterbauch ausstrahlen können. Der betroffene Hoden ist oft geschwollen, und das Kind zeigt typische Abwehrreaktionen, wie das Vermeiden von Berührungen im Genitalbereich. Übelkeit und Erbrechen sind ebenfalls häufige Begleitsymptome.
Keine Zeit verlieren
Eltern sollten diese Anzeichen unbedingt ernst nehmen und das Kind sofort in eine Klinik bringen, da eine Hodentorsion nur durch eine Notoperation behandelt werden kann. Die Operation zur „Entwirrung“ des Hodens (Detorquierung) muss so schnell wie möglich durchgeführt werden, idealerweise innerhalb von sechs Stunden nach Auftreten der Symptome. In vielen Fällen wird der Hoden anschließend fixiert, um eine erneute Verdrehung zu verhindern. Wenn die Durchblutung nicht mehr wiederhergestellt werden kann, muss der Hoden leider entfernt werden.
Verletzungen des Genitalbereichs: Schnelle Hilfe gefragt
Verletzungen des Genitalbereichs sind bei Kindern grundsätzlich relativ häufig und können durch Unfälle, Stürze oder Sportunfälle verursacht werden. Besonders Jungen sind durch ihre Anatomie gefährdet. Verletzungen des Penis, der Hoden oder des Schambereichs können sehr schmerzhaft sein und, wenn sie nicht richtig behandelt werden, langfristige Folgen haben. Eltern sollten bei jeglicher Verletzung des Genitalbereichs vorsichtig vorgehen und das Kind umgehend ärztlich untersuchen lassen.
Auf Alarmsignale achten
Offensichtliche Blutungen, Schwellungen, starke Schmerzen oder Anzeichen einer Hodentorsion (wie oben beschrieben) sind klare Alarmsignale, die eine sofortige medizinische Abklärung erfordern. Die Behandlung richtet sich nach der Art und Schwere der Verletzung. Kleinere Prellungen oder Schwellungen können oft konservativ mit Schmerzmitteln und Kühlung behandelt werden. Bei schwereren Verletzungen, etwa Rissen oder offenen Wunden, kann jedoch ein chirurgischer Eingriff notwendig sein, um Schäden zu reparieren und Infektionen zu verhindern.
Urologische Notfälle bei Kindern sind selten
Urologische Notfälle bei Kindern sind zwar selten, doch wenn sie auftreten, erfordern sie rasches Handeln, um bleibende Schäden zu verhindern. Zu den häufigsten Notfällen zählen Koliken, akuter Harnverhalt, Priapismus und Paraphimose. Eltern sollten bei den ersten Anzeichen dieser Erkrankungen nicht zögern, sofort medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können Komplikationen vorbeugen.
Unsere Reihe Urologische Notfälle
- Harnverhalt
- Nierenkolik
- Hodenschmerzen
- Urosepsis
- Urologische Notfälle bei Kindern
Weitere Informationen und Quellennachweis
- „Häufige urologische Erkrankungen im Kindesalter“ aerzteblatt.de (abgerufen am 9. Oktober 2024)
- „Harnsteine bei Kindern Urolithiasis (Nierensteine Harnleitersteine Blasensteine)“ auf ordensklinikum.at (Ordensklinikum Linz) (abgerufen am 10. Oktober 2024)
- „Priapismus (Dauererektion)“ auf usz.ch (Universitätsspital Zürich) (abgerufen am 10. Oktober 2024)